…so kam es uns, der Klasse 9b, vor, als wir das mehrstöckige Institut für Anorganische Chemie der Uni Bonn betraten. Wie die Türme von Hogwarts im Nebel umgeben waren, steigen hier chemische Dämpfe empor.
Die anorganische Chemie umfasst alle Elemente und Verbindungen, die nicht Kohlenstoff enthalten, da sie sonst der organischen Chemie angehören. Der Schwede, Jöns Jakob Berzelius, der als Vater der modernen Chemie bekannt ist, vertrat die folgende These: organische Stoffe werden durch eine besondere Lebenskraft geschaffen. Dem Leben wohnt also ein besonderer Zauber inne.
Herzlich empfangen wurden wir von Chemie-Studierenden, die wie Vertrauensschüler in Hogwarts wirkten. Zunächst wurden wir in 10 Dreiergruppen eingeteilt – nach räumlichen Verteilung anders als beim sprechenden Hut nach Eigenschaften. Schnell waren wir in weiße Zauberumhänge (Laborkittel) gehüllt und mit Schutzbrillen ausgestattet.
Und dann folgte schon der erste Zauber (Versuch): Wir hielten ein Kupferblech mit einer Tiegelzange über die rauschende Flamme des Bunsenbrenners. Wie mit einem Zauberstab wurde so dem Blech Energie zugeführt. Nach wenigen Minuten verfärbte sich das gold-kupfern gläzende Belch dunkel, fast so schwarz wie das Dunkle Mal.
Doch welchen Zauber hatten wir angewandt? Das Edukt Kupfer (Cu) reagierte mit dem anderen Edukt Sauerstoff (O2) aus der Luft. Die Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff nennt man Oxidation. Während das Metall Kupfer ein Elektron vom Sauerstoff aufnimmt (Reduktion), gibt der Sauerstoff ein Elektron ab (Oxidation). Insgesamt nennt man dieses Geben und Nehmen Redoxreaktion.
Die Reaktionsgleichung lautet: 2 Cu + O2 → 2 CuO
Es entstanden also zwei Kupferoxide. Aus zwei unterschiedlichen Edukten wird durch eine chemische Reaktion einer neuer Stoff, ein Produkt, wenn das keine Verwandlung ist. Das lernt man also nicht nur im Unterrichtsfach „Verwandlung“ bei Prof. McGonagall, sondern im chemischen Labor.
Als Folgexperiment haben wir das Kupferblech zu einem Briefumschlag gefaltet. In diesem Umschlag haben wir Kohle eingeschlossen. Dann haben wir den Kupferbrief erneut mit dem Bunsenbrenner erhitzt.
Wir konnten unseren Augen nicht trauen, als – anders als zuvor – sich das schwarz verfärbte Kupfer zurück in das golden-kupferrote Kupfer verwandelte, wo die Kohle Kontakt mit dem Kupfer hatte. Hat die schwarze Kohle mit schwarzer Magie die Rückumwandlung ermöglicht? Wie kann man das erklären? Vielleicht so: Die Kohle hat dem Kuperoxid die Elektronen entrissen, sodass das Kupfer wieder „edel“ wurde.
Als nächstes präsentierten uns die Vertrauensschüler einen Hochhofen als Labormodell. Im Glasbehälter war das unedle Metall Eisenerz abwechselnd mit Holzkohle befüllt.
Anders als die Edelmetalle wie z.B. Gold, Silber, Platin und Kupfer kommen fast alle Metalle in der Natur nicht elementar vor, sondern in Form ihrer Erze, also als Oxide, hier also Eisenoxid Eisen(II)-oxid (Formel: FeO), Eisen(III)-oxid (Formel Fe2O3).
Um die unedleren Metalle aus ihren Erzen zu gewinnen, muss man den Metallionen unter großem Energieaufwand die fehlenden Valenzelektronen „hineinzaubern“. Dafür gibt es zwei Verfahren: die Elektrolyse und die chemische Umsetzung. Hier also letzteres – die Eisengewinnung im Hochofenprozess. Hier wird also die Wärmeenergie aus dem Hochofen benutzt.
Was hätte geschehen sollen: Das Eisenerz (Eisen (III) -oxid) soll zusammen mit Koks zu Eisen und Kohlenstoffoxid reagieren? In unserer Gruppe kam es jedoch anders…
Im Hochofen gibt es unterschiedliche Zonen mit unterschiedlichen Reaktionen. Für die Oxidation des Erzes ist die Reduktionszone bei 1.000°C relevant. Als Reduktionsmittel wirkt dabei Kohlenstoffmonoxid, das durch die Verbrennung (mit Sauerstoff) von Koks entsteht. Typischerweise handelt es sich bei den Reaktionen im Hochofen um Redoxreaktionen; das Kohlenstoffmonoxid-Molekül nimmt ein Elektron auf und reagiert dabei zu einem Kohlenstoffdioxid-Molekül. Das Eisenoxid gibt das Elektron ab und wird zu reinem Eisen (FE).
Die Reaktionsgleichung: FeO + CO → Fe + CO2
Auch hier sieht man die Nähe zur Zauberei und ihren Sprüchen, die auf das Lateinische zurückgreifen. Beim FE handelt es sich nicht um eine magische Fee, sondern um das Symbol für das chemische Element Eisen, hergeleitet aus dem lateinischen Wort „ferrum“. Und der Vorgang der Reduktion, also der Annahme eines Elektrons, kommt von „reducere“ – „zurückführen. Das Elektron kommt also wieder zurück.
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In unserer Gruppe hat es leider nicht geklappt. Und hier erkennt man, was es bedeutet, wissenschaftlich zu arbeiten; genauso wie bei Zaubersprüchen kommt es auf die genaue Ausführung an.
Das hitzebeständige Rohr im Model hatte unten einen Propfen, der jedoch nicht standhielt, sodass die Reaktionen nicht stattfinden konnten.
Die Replikation von Versuchen ist also gar nicht so einfach! Zum Glück konnten aber die anderen Gruppen die Redoxreaktion erfolgreich replizieren.
Besser klappten die Versuche mit dem Zaubertrank, wo wir die „Redoxreihe“ erforschten. Mit der Pipette tropften wir Eisen(II)-sulfat (FeSO4) auf die Metalle, Eisen, Silber, Kupfer und Zink, was geschah? Unserer Gruppe konnte keine Reaktion beim Eisen(II)sulfat mit Zink beobachten. Sicherlich konnten die anderen Gruppen eine Reaktion beobachten.
Eisen(II)sulfat sollte mit dem Zink reagieren. Zink ist unedler als Eisen und kann daher Elektronen an Eisen(II)-Ionen abgeben; also wieder ein Geben und Nehmen:
Oxidation von Zink (Zn): Zink gibt Elektronen ab und wird oxidiert zu Zink(II)-Ionen:
Zn→Zn2+ + 2e−
Reduktion von Eisen(II)sulfat (FeSO4): Eisen(II)-Ionen nehmen Elektronen auf und werden reduziert zu reinem Eisen: Fe2+ + 2e−→Fe
Insgesamt also: Zn + FeSO4 → ZnSO4+Fe
In dieser Reaktion wird Zink als Reduktionsmittel und Eisen(II)sulfat als Oxidationsmittel verwendet.
Bei Silber(II)nitrat färbten sich Kupfer und Zink schwarz.
Die größte Zauberkraft hatte jedoch Kupfer(II)sulfat und verfärbte alle der obengenannten Metalle.
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Zum Schluss gingen wir hinaus, wobei wir das Fauchen des Drachens (Lüftungsanlage des Instituts) hörten, was die Schüler des 7. Jahrs im Fach „Pflege magischer Geschöpfe“ gerade behandeln.
In einem Blumentop, gefüllt mit Eisen(III)oxid und Aluminiumgrieß, brannten wir eine mit Magnesiumband umwickelte Wunderkerze an. Sie lieferte die Energie für eine weitere Redoxreaktion, bei der Aluminium als Reduktionsmittel benutzt wurde, um Eisen(III)-oxid zu Eisen zu reduzieren. Die Reaktion war stark exotherm, also unter heftiger Wärme- und Lichtentwicklung. Die Produkte sind Aluminiumoxid und reines Eisen im flüssigen Zustand. Das Aluminiumoxid und Eisen tropften auf den Sand, der als Bodenschutz vor den hohen Temperaturen diente. Dieser leuchtende Effekt war fast wie beim Zauberspruch „Bombarda“ (Explosionszauber). Diese Reaktion kennt man als Thermitverfahren.
Insgesamt fühlte ich mich bei diesem Ausflug wie an einem Schultag in Hogwarts, zwar nicht unter der Aufsicht von Prof. Lupin, sondern von unserer Chemielehrerin Frau Vianden.
Das Fazit dieser magischen Exkursion: Jeder, der Zauberer werden möchte, könnte auch Chemiker werden!
Anastasia Burstedde (9b)