Ich hatte im Rahmen des Förderprogramms FFF (Fördern, Fordern, Forschen) die Möglichkeit, schon als Schülerin reguläre universitäre Veranstaltungen zu besuchen. Für mich war das ein großes Glück, eine Bereicherung in jeder Hinsicht. Das also vorneweg: Ich kann den frühen Besuch einer Universität, ein Schülerstudium, klar empfehlen.
Da ich mich seit langer Zeit für rechtliche Fragestellungen interessiere, habe ich mich als Schülerstudentin in der juristischen Fakultät eingeschrieben. Jura ist ein Fachgebiet, das nicht in der Schule behandelt wird und das doch grundsätzlich in alle Lebensbereiche hineinwirkt – menschliches Handeln zur Grundlage ebenso wie zur Folge hat, auf Werten, Normen und lebenspraktischen Erfahrungen einer Gesellschaft fußt. Und mit den zugrundeliegenden Werten und Normvorstellungen auch den Bereich der Philosophie berührt, nicht umsonst gibt es das eigenständige Fachgebiet Rechtsphilosophie.
Ich habe mich, länger vor dem Studium schon, mit dem Werk von Aristoteles, Platon und Sokrates befasst und dabei besonders auch die behandelten Fragen von Ethik im interindividuellen Miteinander, aber auch im Hinblick auf größere Entitäten, den Staat als Subjekt, vertreten durch seine Repräsentanten, die dieses Konstrukt innerhalb einer begrenzten Gemeinschaft (wie natürlich auch nach außen) organisieren und verantworten, ungeheuer interessant gefunden. Es sind Fragen, die uns betreffen, uns alle, ununterbrochen, es kann nicht anders sein. „Hieraus also ist klar, dass der Staat ein Naturprodukt, und dass der Mensch von Natur ein politisches Wesen ist.“ (Aristoteles in Politika, 335 v. Chr.)
Staatsphilosophie ist ein Rechtsbereich, der mich immens fasziniert, daher fiel mir die Wahl nicht schwer; ich habe die Veranstaltung „Staatsrecht I – Staatsorganisationsrecht mit Grundzügen des Verfassungsprozessrechts“ belegt und sehr viele Dinge gelernt, Zusammenhänge erfahren, auch etwa über die Entstehungsprozesse verfassungsrechtlicher Grundlagen.
Staatsorganisationsrecht nimmt Geschichtliches in den Blick und bildet gleichermaßen eine Richtschnur für die Zukunft. Als wir in einer Vorlesung den Themenkomplex Vertrauensfrage und Regierungsneubildung behandelten, war die neue Aktualität noch nicht vorhersehbar; als die realen Geschehnisse eintraten, halfen mir neugewonnene Perspektiven und Kenntnis des Rechtsrahmens bei der Einordnung.
Dass es, ganz generell, im Recht wirklich und tatsächlich um den immerwährenden Versuch und die in Vollkommenheit niemals erreichbare Herstellung von Gerechtigkeit im menschlichen Zusammenlebengeht, basierend auf unseren Vorstellungen von Ethik und Moral, in Gesetzestexten, in Formulierungen immer wieder neu auszuhandeln – das könnte man banal finden; tatsächlich aber machte es mir Freude, dieses Gerechtigkeitsprinzip so grundsätzlich vorausgesetzt zu sehen, während doch immer auch die Vorstellung von sophistischer „Rechtsverdreherei“ das Bild des Juristen in der Öffentlichkeit prägt.
Dabei, und eben, weil Jura nicht mit dem Terminus „exakte Wissenschaft“ zu belegen ist, mathematisch oder formal-logisch präzise Ergebnisse liefert, vielmehr in einer Demokratie im ständigen Diskurs den Rahmen steckt und immer wieder ergänzend korrigiert, erhalten Formulierungen ein hohes Gewicht, ist auch ein analytischer Blick auf Sprache fundamental. Meinen Interessen und Neigungen kommt auch das sehr entgegen, hierin liegt vielleicht auch eine Vorbedingung für die Auseinandersetzung mit dem Fach.
Nach so vielen positiven Aspekten des ersten Zugangs zum wissenschaftlichen Arbeiten, zur Erweiterung faszinierender Gedankenwelten, will ich damit verbundene Pflichten (von Nachteilen zu sprechen, wäre mir doch zu pejorativ) nicht unerwähnt lassen; natürlich versäumt jeder Schülerstudent auch Unterrichtsstoff in der Schule, natürlich ist dieser nachzuarbeiten. Im Wesentlichen geschieht dies in Eigenverantwortung. Manchmal gestaltet sich die terminliche Organisation nicht leicht, es wird gelegentlich eine Herausforderung, zeitgleiche Ansprüche und Erfordernisse koordiniert zu steuern. Auch hier habe ich einiges gelernt. Und keine Frage: Es lohnt sich!
Josefine Sobotka, Q2